«Wie beziehst du eigentlich Musikimprovisation in deinen Alltag mit ein?»
Wenn ich therapeutisch arbeite oder in Ensembles improvisiere, frage ich mich immer wieder, ob es möglich ist, zuhörend und still mit dem Gegenüber zu kommunizieren. In einem Punkt bin ich mir bis mittlerweile sicher, wenn ich jemandem mit meiner uneingeschränkten Aufmerksamkeit zuhöre, verbinde ich mich mit seiner Stimme, seiner Stimmmeldodie, der Stille zwischen den Äusserungen und wenn ich kann mich auf den Inhalt des Gesagten einlassen.
Höre ich musizierend zu, so geschieht es vermehrt, dass sich die Zeit im Moment verändert, die Musik als Momentum scheint greifbar zu werden, in diesen kleinen Augenblick gelingt es vorauszuhören, was als nächstes musikalisch erklingen könnte. Hellhörig werden könnte heissen, dass das «Innere Ohr» sich mit dem musikalischen Geschehen verbindet und das Hören sich in der Zeitdimmension und im Raum ausdehnt.
Meine Arbeitsweise bei der Suchtberatung beruht auf von der Berner Gesundheit, meinem Arbeitgeber, anerkannten Gesprächsführungsmethoden. Schon als Sozialpädagoge war eine der Grundlagen in der Arbeit mit Menschen das «aktive Zuhören» von Carl Rogers. Wie ich in die Improvisation eintauchte wurde mir klar wie nahe sein aktives Zuhören mit dem musikalischen Hören verbunden ist.
Dem Begriff «Aktiv Zuhören» begegnete ich immer wieder neu! David Darling der Mitgebründer von Music for People legte in den Workshops viel Wert auf das Zuhören, oft teilten wir die Gruppe in kleine Ensembles auf und lauschten in unseren Improvisationen hinein. Die Spielenden lud er immer wieder ein, sich auf die Stille zu achten. Von ihr geht aller Klang aus zu ihr kehren wir im Spiel zurück.
Pauline Oliveros hat den Begriff Deep Listening ins Spiel gebracht. Eine «Tiefen»- Erfahrung, ein Musikerlebnis in einer Zysterne in Washington, führte sie zu neuen Formen des Zuhörens, der Improvisation und Elektronischer Musik. Die Präsenz und Haltung, sowie der akustische Hall in der Stille sind zentral beim Deep Listening.
Zusammenfassend stelle ich fest, dass die Hörschulung in der Musik einen starken Einfluss auf meine lauschende Präsenz in den Beratungs- und Therapiegesprächen hat und umgekehrt, dass tägliche Zuhören in Gesprächen die Fähigkeit trainiert, sich in der Musik auf einander einzuschwingen, beweglich zu bleiben und mich gemeinsamen mit musikalischen Moment zu verbinden. In der Sozialarbeit wird aktuell der Begriff «co-musikalische Beratung» beleuchtet, das Hören sehe ich in diesem Zusammenhang als zentrales Element.
Ich lerne Alltag täglich und übe mich, wie ich mein Hören schärfen, einfühlen oder deutlich machen kann. Singend, spielend, erzählend und zuhörend.